Viehworld: Warum man Rinder per App ersteigert
Du brauchst ein Rind oder vielleicht sogar eine ganze Schafherde? Kein Problem, über die App „viehworld“ kannst du ganz einfach schauen, wer in deiner Nähe dein Wunschtier verscherbelt und kannst es ersteigern. Ein eBay für Nutztiere quasi. Aber ist das wirklich so super? Und kann man ein Rind auch retournieren, wenn’s nicht passt? Wir haben beim Erfinder der App nachgefragt.
Die neue App „viehworld“ revolutioniert seit letztem Jahr den Nutztierhandel. Über die App können Rinder und mittlerweile auch ganze Schafherden ersteigert werden – ganz easy via Smartphone. Das soll nachhaltig sein und sowohl den Tieren als auch den Landwirtinnen und Landwirten Stress ersparen. Klassische Versteigerungen, auf denen viele Menschen und noch mehr Tiere aufeinandertreffen, sind somit nicht mehr notwendig. Wir haben mit dem Tierarzt Wolfgang Schiessl, der die Idee zu der App hatte, gesprochen.
hektar: Lieber Herr Doktor Schiessl, du bist ja Tierarzt, warum hast du gedacht, dass so eine App notwendig ist?
Wolfgang Schiessl: Naja, da gibt es mehrere Gründe. In erster Linie geht es um die Zeitplanung, weil sich die Landwirtinnen und Landwirte mit der Ersteigerung der Tiere über die App Zeit sparen. Man spart sich aber auch Geld, weil du weniger Fahrtkosten und weniger Provision zahlst. Ein anderer Grund ist die Stressbelastung. Bei Versteigerungen ist auch das Keimspektrum sehr hoch und wenn die Tiere dann wegen des Transports und Herdeneingliederung gestresst sind, dann verkraften sie mögliche Infektionen schlechter. Wenn die Tiere weniger krank sind, spart das im Endeffekt auch wieder Geld.
Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht. Warum soll er also eine Kuh kaufen, die er noch nie gesehen hat?
In dem Sinne kauft er oder sie die Kuh nicht. Wir sind lediglich eine Vermittlungsplattform und der Verkauf findet erst bei realer Betrachtung statt. Die Vision ist schon, dass man irgendwann rundherum, von oben und unten 360-Grad-Bilder von den Tieren machen kann. Das wird in der Zukunft möglich sein. Wir arbeiten gerade auch an einem Bewertungssystem, wo man erkennt, ob jemand ein guter Verkäufer ist oder nicht. Das ist ähnlich wie bei eBay. Damit wollen wir schauen, dass wir die Qualität sichern.
Wird sich die App auch nach der Pandemie durchsetzen?
Ja, also da bin ich mir sicher. Aus meiner medizinischen Sicht ist unsere App unabhängig von der Pandemie erfolgreich. Ich möchte gar nichts Negatives gegen die Versteigerungen sagen, aber das Risiko für Infektionen ist dort sehr erhöht. Nach Versteigerungen steigen bei uns Tierärztinnen und Tierärzten die Krankheitsfälle. Oft haben die Kälber dann noch den Stempel am Rücken, wenn ich auf den Hof komme.
Es ist der Klassiker im Online-Handel: Man bestellt was, dann passt’s einem nicht und man schickt es zurück. Wie läuft das bei euch ab? Kann ich die Tiere zurückgeben oder umtauschen?
Also bei uns funktioniert es wie bei einem Privathandel. Das wird ja bei Landwirtinnen und Landwirten auch jetzt schon betrieben. Das Tier wird beim Kauf begutachtet und wenn später Mängel auftreten, dann müssen die sich das untereinander ausmachen. Die Mängel kommen meistens erst später zum Vorschein, wenn es beispielsweise um Milchmengen geht. Deswegen kann man bei uns auch erst nach einigen Tagen beziehungsweise Wochen die Bewertungen abgeben.
Zum Thema Transport: Muss man sich um den selbst kümmern oder kann man den gleich mitkaufen? Die Tiere kommen ja wahrscheinlich nicht mit der Post?
Ein organisierter Transport ist auch in Planung. Aktuell machen die Verkäuferinnen und Verkäufer sich das mit den Käuferinnen und Käufern aus. Die werden nach dem Endgebot in Kontakt gebracht und können sich dann alles direkt ausmachen.
Man kennt es von Instagram und Co: Die Menschen nutzen Photoshop und präsentieren Dinge schöner als sie in Wirklichkeit sind. Wird auch hier mehr geschummelt als bei normalen Auktionen, wo man sieht was man bekommt?
Die größte Schwierigkeit ist es natürlich, die Tiere so darzustellen, wie sie aussehen. Aber viele berichten uns, dass es eigentlich cool ist, die Tiere auch im Stall stehen. Da ist auch gleich ersichtlich, wie die Hygiene im Ursprungsstall ist und die Käuferin oder der Käufer kann einschätzen, ob das für einen selbst passt. Bei Versteigerungen schauen alle super hübsch aus, sind gestriegelt und gewaschen. Man weiß aber nicht wie es dort ausschaut, wo sie herkommen.
Jetzt gibt es Rinder und Schafe, sogar ganze Schafherden kann man kaufen. Was kommt als nächstes?
Also unser Plan ist es, auch in Deutschland Fuß zu fassen. Weitere Tiere sind auch in Planung, als nächstes kommen Ziegen.
Lieber Herr Doktor, danke für das Gespräch.