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Die Öfferls backen das: So geht Betriebsübernahme

Luger Sabrina

Die Bäckerei Öfferl aus Gaubitsch im Weinviertel sollte es eigentlich gar nicht mehr geben. Die Konkurrenz der Supermärkte und das dadurch entstandene Greißler- und Bäckersterben machte es dem Familienbetrieb nämlich nicht leicht. Dass der Betrieb an die nächste Generation übergeben wird, war deshalb nicht geplant, dem Sohn Georg haben Mama und Oma sogar davon abgeraten. Der hat aber nicht drauf gehört.

Mittlerweile hat Georg Öfferl gemeinsam mit seinem Cousin Lukas Uhl und seiner Cousine Sandra Schaffer nicht nur den Betrieb übernommen, sondern auch zu einer Szenebäckerei ausgebaut. Neben der Filiale in der Heimat Gaubitsch haben die drei vor Kurzem auch ihre vierte Filiale in Wien eröffnet. Wir haben uns mit Georg, Lukas und Sandra zusammengesetzt und darüber gesprochen, wie erfolgreiche Betriebsübernahme geht.

Georg Öfferl (in der Mitte) mit Sandra und Lukas (rechts von ihm) und seinen Eltern (links von ihm)

©Öfferl

hektar: Georg, jetzt sag mal, war das Übernehmen der Bäckerei für dich schon immer klar?

Georg: An und für sich war es nie geplant, dass wir den Betrieb weiterführen. Wegen der Supermärkte war es wirtschaftlich nicht mehr wirklich tragbar. Aber wir haben geglaubt, dass wir als Handwerksbäckerei was bewirken können. Und dass die Kundinnen und Kunden wieder zu uns kommen, wenn wir wieder mehr auf Qualität setzen. Luki und ich sind eigentlich Quereinsteiger. Ich habe davor in Hollabrunn die HTL für Wirtschaftsingenieurwesen gemacht – weil’s mir so gut gefallen hat die Sechsjährige, in fünf Jahren schafft’s jeder.

Lukas: Bei mir war’s auch so, ich habe auch die sechsjährige HTL gemacht (lacht) und war dann als technischer Zeichner angestellt. Eines Abends hat mich der Georg gefragt, ob ich nicht mit ihm die Meisterschule für Bäckerei in Wels machen möchte. Und da habe ich nicht lange überlegt, weil ich habe gewusst, dass mir das taugt, mit ihm gemeinsam was aufzubauen. Ich habe dann zugesagt, das war ein Samstag. Am Sonntag haben wir uns noch mit seiner Mutti zusammengesetzt, die hat mir auch dringendst davon abgeraten. Hauptsächlich wegen den Mentscha (Anmerkung der Redaktion: Falls ein Stadtkind mitliest, „Mentscha“ sind Mädchen). 

Georg: Ja, sie hat gesagt, da sind die Mädels nicht begeistert. Weißt‘ eh, Nachtarbeit, Sechs-Tage-Woche und so.

Lukas: Aber ich bin hartnäckig geblieben (lacht). Und dann haben wir auch die Sandra noch ins Boot geholt.

Sandra: Ja, am Anfang habe ich gesagt: „Das bisschen Facebook und Instagram mache ich euch am Wochenende“. Das habe ich ein bisschen unterschätzt. Die beiden haben dann spontan ein Bewerbungsgespräch mit mir ausgemacht und seitdem bin ich auch dabei.

Fertige Backmischungen kommen den Öfferls nicht mehr in die Stube

©Öfferl

hektar: Wie war das eigentlich damals mit der Umstellung auf Bio?

Georg: Ich bin ein sehr politikinteressierter Mensch und habe viele Dokumentationen geschaut, mich viel informiert. Und dann bin ich eines Tages heimgekommen, hab' die ganzen Informationen gehabt und wollte gleich hundert Prozent durchfahren und alles anders machen. Ich komme also heim und sag: „So, wir werden jetzt eine Biobäckerei“ und mein Papa so: „Wos haßt Bio? Des kauft dir da heraussen keiner ab“. Ich hab‘ dann gesagt: „Entweder wir machen das so oder ihr macht euch den Scheiß selber, weil dann suche ich mir wo anders eine andere Bäckerei.“ Da waren schon Streitigkeiten da, aber mittlerweile ist der Vati demensprechend umgepolt. Er kauft jetzt sogar selbst immer alles direkt von den Herstellerinnen und Herstellern und findet das Konzept super.

hektar: Am Anfang war es also quasi so: Da kommt der junge Bua und macht jetzt alles anders?

Lukas: Ja und noch dazu nicht gelernt. Die ersten Monate hab' ich alles fragen müssen, weil ich ja nix gewusst hab. Da haben sich die anderen in der Backstube oft schon gedacht, dass ich sie und ihre Arbeit hinterfrage. Die haben schon ganz schön was mitgemacht mit uns am Anfang.

Georg: Am Anfang war komplett die Gegenwehr in der Backstube. Weißt‘ eh, da kommt der erste G’schropp und dann der zweite „G’scheite vo Wels“, wie sie immer sagen – bis sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf unsere Ideen und Arbeitsweisen umgestellt haben, hat es schon ein bisschen gedauert.

Die erste Filiale in Wien haben die Öfferls 2019 in der Wollzeile eröffnet

©Öfferl

hektar: Ihr zählt heute zu den „hippesten“ Bäckern Österreichs. War euer Konzept von Anfang an klar? 

Georg: Einerseits ist das schon aus dem Instinkt gekommen, andererseits haben wir uns auch intensiv mit dem Markt beschäftigt und sind draufgekommen: Unsere Kundenschicht,  das sind die LOHAS.

Lukas: Wobei das würde ich heute nicht mehr sagen. Wenn du dich heute zur Filiale stellst, geht jeder bei uns einkaufen.

Georg: Ja, aber 2018, als wir angefangen haben, war das halt die Zielgruppe. Das sind Leute, die ticken wie ich. Die legen viel Wert auf Nachhaltigkeit, die kaufen bewusster ein. Ich glaube, heute wird unser Brot in erster Linie gekauft, weil es schmeckt.

hektar: Ihr eröffnet jetzt bald eure vierte Filiale in Wien. Wie hat es euch von Gaubitsch dorthin verschlagen? 

Georg: Ein Freund von mir hat beim Kutschkermarkt gearbeitet und meine Brote zu einem Hofladen zur Verköstigung mitgenommen. Und der Hofladen hat das Brot dann ins Sortiment aufgenommen. Das Motto am Fluss war dann unser erster Gastrokunde, dann sind die Standln auf den Bauernmärkten dazugekommen und später hat sich’s ergeben, dass wir im ersten Bezirk unsere erste Filiale eröffnen haben können.

hektar: Aber war der Schritt nach Wien von Anfang an auf eurer Agenda? Oder hättet ihr die Bäckerei auch übernommen, wenn ihr „nur" in Gaubitsch geblieben wärt? Gibt es Unterschiede in den Filialen?

Georg: Natürlich habe ich immer schon ein leichtes Augenmerk auf Wien gehabt, aber ich hätte alles genau gleich gemacht, wenn ich auch nur in Gaubitsch geblieben wäre. Das ist ja eine politische Haltung, die ich mit meiner Bäckerei mittrage. Es ist schon so, dass wir unsere Brote in Gaubitsch ein wenig günstiger verkaufen. Quasi zum Ab Hof Preis, weil dort ja auch die Backstube ist und wir die Brote nicht weit transportieren müssen. Aber die Leute kaufen in Gaubitsch genauso wie in Wien.

hektar: Ihr habt ja mittlerweile auch sechs Lehrlinge. Wo findet ihr die? Ich kann mir vorstellen, dass es gerade in Gaubitsch vielleicht gar nicht so einfach ist.

Sandra: Bäckerin oder Bäcker will halt einfach keiner werden, das ist leider wirklich so. Aber wir haben jetzt zum Beispiel auch drei Mädels, das freut uns ganz besonders. Einige trauen sich das oft nicht zu, weil es ein körperlich anstrengender Beruf ist. Bei uns ist aber the Word of Mouth ganz wichtig. Das heißt, wenn die Arbeitsbedingungen passen und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gerne zu uns arbeiten kommen, erzählen die das weiter und dann bewerben sich Freundinnen und Freunde, Bekannte und Verwandte bei uns. Das ist auch bei den Lehrlingen so. Da bewirbt sich dann die Schwester, ein Freund und so weiter. Außerdem war uns klar, dass wir den Beruf ansprechender machen müssen.

Lukas: Wir haben gewusst, dass wir die Arbeitszeiten ändern müssen, wenn der Beruf zukunftsträchtig sein soll. Das heißt, wir arbeiten jetzt eigentlich am Tag. Die Bäcker fangen bei uns um sechs in der Früh an und produzieren bis zwei, drei am Nachmittag. Da hat man eigentlich einen relativ normalen Arbeitsalltag von Montag bis Freitag oder auch mal von Montag bis Samstag, je nachdem wie viel zu tun ist. In der Nacht sind eigentlich nur mehr ein, zwei Bäckerinnen oder Bäcker da. Wir sind ja selbst nicht unbedingt die Menschen, die in der Nacht arbeiten wollen.