„Der Bauer und der Bobo“: Wer soll sich das anschauen?
Die Lederhosenromantik nimmt oft überhand, wenn sich die Leute aus der Stadt das Landleben ausmalen. Dass die Realität anders ausschaut, das wissen oft nur die Dorfkinder. Der neue Film „Der Bobo und der Bauer“ von Kurt Langbein will die Brücke schlagen: Der titelgebende Bobo ist übrigens Florian Klenk, Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Falter“, den Bauern gibt Christian Bachler, seines Zeichens der wortgewaltigste Bergbauer der Steiermark.
Christian Bachler lebt am höchstgelegenen Bergbauernhof der Steiermark. Nachdem er eine Diskussionsrunde auf Servus-TV zum heiß umstrittenen „Kuh-Urteil“ sieht, platzt dem wortgewandten Bauern der Kragen. Florian Klenk, der Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung „Falter“, von Bachler liebevoll als „Oberbobo“ bezeichnet, begrüßt nämlich die Verurteilung eines Landwirts, dessen Kuh auf einer Almfläche eine Touristin zu Tode getrampelt hat, die dort mit ihrem Hund unterwegs war.
Bachler stellt sich daraufhin kurzerhand auf die Alm, richtet sein Handy auf sich und nimmt ein Video mit einer klaren Botschaft an Klenk auf: Er habe keine Ahnung von der bäuerlichen Gesellschaft, habe noch nie Existenzängste erlebt und soll doch für eine Woche ein Praktikum am Bergbauernhof absolvieren, um aus seiner Bobo-Blase zu kommen.
Ein Film für Bauern?
Klenk nimmt die Einladung an und holt den Regisseur und Produzenten Kurt Langbein an Bord. Dabei entstehen ein Buch und ein Dokumentarfilm, der ab heute in 51 Kinos in ganz Österreich zu sehen ist. Auf den ersten Blick wirkt das Vorhaben wie ein Sozialprojekt à la Frauentausch, bei dem Menschen für einen kurzen Zeitraum in fremde Gesellschaftsschichten eintauchen, tatsächlich ist „Der Bauer und der Bobo“ aber ein gesellschaftskritischer Film geworden. Der Grund: Die beiden Hauptprotagonisten stammen aus verschiedenen Welten und haben starke, kontroverse und vor allem komplett unterschiedlichen Meinungen. Aber sie streiten sich zusammen und beweisen, dass man sich verstehen kann, wenn man bereit dazu ist, seine eigene Komfortzone zu verlassen.
Der Film wird für Leute am Land keine großen „AHA“-Erkenntnisse bringen, immerhin sind die Themen, die im Film aufkommen, für Landwirtinnen und Landwirten keine Unbekannten. Christian Bachler drückt die Sachlage auf pointierte und verständliche Weise aus. Er spricht über die Abhängigkeit von der Raiffeisen, den Auswirkungen von EU-Verordnungen und witzelt über AMA-Kontrolleure. So lustig das aber auch klingen mag, der Film schafft es anhand von Bachlers Schicksal, die strukturellen Probleme von kleinbäuerlichen Betrieben aufzuzeigen. Der Bergbauernhof steht nämlich vor einer Zwangsversteigerung, wie Klenk herausfindet. „Das war für mich persönlich die größte Überraschung, dass es finanziell so schlecht steht um den Hof“, erklärt Klenk.
Wer zahlt schafft an
Ein großes Thema im Film ist ein systematisches Problem: Die Leute zahlen nicht den realen Preis, den die Lebensmittel eigentlich wert sind. Dass die Bobos aber bereit sind Geld in die Hand zu nehmen, zeigt nicht zuletzt die Rettungsaktion vom Bachler-Hof. Als Klenk eine Crowdfunding-Kampagne startet, um den Bergbauernhof aus den Schulden zu befreien, beteiligen sich innerhalb kürzester Zeit 12.000 Menschen. Und die reichen aus, um den Hof vor der anstehenden Zwangsversteigerung zu retten und Bachlers Schulden zu bezahlen.
Dass diese Rettungsaktion in der Nachbarschaft und bei anderen Bäuerinnen und Bauern, die sich vielleicht in einer ähnlichen Situation befinden, nicht gut ankommt, ist nachvollziehbar. Der Film gibt aber Hoffnung: Vielleicht bringt die mediale Aufmerksamkeit und die „Aufklärung“ der Bobos der heimischen Landwirtschaft ja doch etwas. Im besten Fall führt das zu einem Umdenken ihres Konsumverhaltens und die Bereitschaft faire Preise zu zahlen. Weil deswegen brauchen die Bauern die Bobos, wie uns Bachler selbst sagt: „das sind die, die meine Ware kaufen“.
Vielleicht ist „Der Bobo und der Bauer“ also doch ein Film für die Bauern. Sehenswert ist er allemal.
Titelbild: Langbein & Partner