Ab ins Beet: Feldvermietung mit Selbsternte
Als Landwirt*in hast du etwas, das viele Leute in Wohnungen nicht haben: Land. Während es für dich also sehr wahrscheinlich ganz normal ist im Garten Obst und Gemüse anzubauen und zu ernten, ist das für die meisten im Wohnblock ein Luxus. Mit der „Selbsternte“ kannst du mit der Vermietung von Beeten was dazuverdienen und Menschen, die keinen Garten haben, den Anbau bis hin zur eigenen Ernte von Obst und Gemüse ermöglichen.
Probieren geht über studieren…
…dachte sich die 26-jährige Anna aus Anzendorf in Niederösterreich. Nur knappe fünf Minuten ist ihr Feld von der 3.700 Einwohner*innen-Gemeinde Loosdorf entfernt. Dort gibt es Leute, hauptsächlich zwischen 30 und 35 Jahren alt, die in Wohnungen leben, gerne aber ihr eigenes Gemüse anbauen wollen, so Anna. Und Anna hat Felder, die sie in Form von kleinen Beeten an Leute vermietet, die keinen eigenen Garten haben.
Über ihre Liebe zu Raritäten hat Anna damals nämlich Julia, die heute „Selbsternte“ betreut, kennengelernt. „Ich wollte schon immer außergewöhnliches Gemüse haben, das man nicht im Supermarkt kriegt. Lila Karotten, giftgrünen Karfiol oder schwarze Tomaten. Es gibt so viele Geschmäcker, die man als Konsument*in oft gar nicht kennt.“ Nachdem Anna gesehen hat, wie das Konzept des Beete-Vermietens bei Julia funktioniert, wollte sie das auch ausprobieren. Bislang macht sie das noch im kleinen Rahmen, sie hat aber große Pläne für die Zukunft.
„Überhaupt wenn man sich die Preise im Supermarkt anschaut, was Obst und Gemüse kosten, dann überlegt man sich vielleicht schon, selbst anzubauen. Und außerdem tut es auch einfach gut, im Garten zu arbeiten. Das Erfolgserlebnis ist unbezahlbar“, so die Jungbäuerin.
„Man sieht einfach die Freude und das Interesse bei den Beet-Mieter*innen und es entstehen teilweise auch Freundschaften. Also man muss schon mit Leuten zu tun haben wollen“, erzählt uns Julia. Die Freude über die Ernte schlägt sich aber auch bei den Landwirt*innen durch. „Letztes Jahr haben wir eine Karotte mit 611 Gramm und 33 Zentimeter Länge geerntet! Sowas gibt’s im Supermarkt nicht“, lacht Anna, die ihre Mieter*innen herzlich „Freund*innen“ nennt.
Win-Win-Situation
Das Konzept geht auf Regine Bruno zurück, die nach der Atom-Katastrophe in Tschernobyl „Selbsternte“ gegründet hat. Der Grundgedanke war es, Konsument*innen zu ermöglichen, Bio-Gemüse günstig zu kaufen – und das in Partnerschaft mit Landwirt*innen. So kam es, dass, vor allem in Wien und Niederösterreich, Bäuerinnen und Bauern ihre Felder zu Beeten umgewandelt haben und diese an Hobbygärtner*innen vermietet haben.
Die Idee hat der 33-jährigen Julia Hieger aus Reitzersdorf bei St. Pölten, die die Plattform heute betreibt, schon in ihrer Schulzeit gut gefallen. Im Zuge ihres Studiums hat sie einen Businessplan dazu geschrieben und dann bei sich zuhause auch wirklich umgesetzt. In der Nähe von St. Pölten lebt sie auf dem Hof ihres Lebensgefährten, wo sie ein Feld zu einer „Selbsternte“, nämlich dem „Tante Emma Garten“, umgewandelt hat.
„Heute ist es wie booking.com, wo man einfach sein Gemüsebeet mieten kann. Die Landwirt*innen haben ihre eigene kleine Seite, wo sie sich mit Text und Fotos vorstellen können“, erklärt die Niederösterreicherin. Auf der Plattform sind aktuell 28 Standorte in vier Bundesländern vertreten. Julia sagt: „Wir sind in den letzten Jahren stark gewachsen und ich kriege immer mehr Anfragen von Landwirt*innen, die mitmachen wollen.“
Was braucht’s?
In erster Linie einmal einen Acker, so viel steht fest. Der sollte laut Julia, nicht zu weit von einem Wohnblock entfernt sein: „Immerhin will man ja Leute ansprechen, die keinen eigenen Garten haben.“ Auch eine Fläche, die nahe an einer viel genutzten Verkehrsstrecke liegt, könnte sich eignen. Wer interessiert ist, kann mit Julia direkt schauen, welche Acker genutzt werden können.
Außerdem werden bei „Selbsternten“-Gärten das Wasser und die Grundausstattung fürs Garteln, also ein paar Rechen, Hacken und Spaten den Hobby-Gärtner*innen zur Verfügung gestellt. Auch einen Zaun rund um den „Selbsternte“-Bereich braucht es. Die Investitionskosten bleiben also überschaubar.
„Ganz wichtig sind auch Regeln. Da habe ich einen vorgefertigten Vertrag, den ich den Landwirt*innen, die mitmachen, zur Verfügung stelle. Den können sie dann für sich so anpassen wie sie wollen. Gewisse Garten-Regeln müssen im Vorhinein klar sein, damit es nicht zu Missverständnissen kommt“, erklärt Julia. Darin geht es zum Beispiel um Feuer am Feld oder die Mitnahme von Hunden.
Was kostet der Spaß?
An die Plattform „Selbsternte“ zahlt man, abhängig von den Flächen die man zur Verfügung stellt, ab 195 Euro im Jahr. Dafür erhält man nicht nur einen Platz auf der Plattform, sondern wird auch bei Konzepterstellung, Marketing- und Öffentlichkeitsarbeit unterstützt und kann an Infoabenden und Exkursionen teilnehmen.
Was man für die Miete von einem Beet verlangen darf ist abhängig vom Standort. Für zwanzig Quadratmeter werden durchschnittlich 160 Euro verrechnet. Wenn man ein kleines Feld hat, das sowieso schwer zu bewirtschaften ist, kann sich das rentieren. Von April oder Mai bis ungefähr November dürfen die Mieter*innen auf den Beeten arbeiten, dann werden die Beete übergeben und von den Landwirt*innen für das nächste Jahr vorbereitet. Anna schaut sich das jetzt einmal die nächsten zwei Jahre noch an und hofft, dann größere Vorhaben mit „Selbsternte“ möglich machen zu können.
Fotos: © MyArt Caroline Schmidlechner